Die Erntedank-Predigt 2020 von Pfarrer Roland Kelber

Pfarrer Roland Kelber predigte am Erntedankfest unter freiem Himmel

 Vielen Dank für die Übermittlung dieser wunderbaren Predigt!

Mk 8,1-9 Erntedank 20

Liebe Gemeinde,

1.Seelischer, geistlicher Hunger. Hunger nach den Worten Jesu.

Freitagabend war ich gerade noch eine halbe Stunde vor Geschäftsschluß bei der Bäckereifiliale. Kein Brot lag mehr im Regal. Aber dann kam eine Verkäuferin aus der Backstation und hat noch fünf frische Brote gebracht.

Fast hätte ich also versäumt gehabt für die nächsten zwei Tage noch Brot zu besorgen, bevor es zwei Tage keines mehr zu kaufen gegeben hätte.

Die Menschen, die bei Jesus waren hatten nicht genug mitgenommen für die drei Tage, die sie bei Jesus in einer abgelegenen Gegend am See Genezareth mitten in der Pampa verbracht hatten.

Wahrscheinlich hatten sie nicht gedacht, dass sie so lange bleiben würden. Anscheinend waren sie so gebannt von dem, was Jesus gesagt hatte, dass sie vollkommen darüber vergessen hatten, dass ihre Brotzeit, die sie eingepackt hatten, nicht für drei Tage ausreicht.

Ist Ihnen das auch schon so gegangen, dass sie von etwas so fasziniert waren, oder dass sie so beschäftigt waren mit etwas, dass sie darüber vergessen hatten, zu essen ?

Anscheinend war da ein anderer Hunger im Moment größer als der körperliche Hunger. Sie hatten anscheinend einen großen seelischen Hunger. Sie wollten nicht nach Hause, solange Jesus weiterredet, obwohl sie nicht mehr genug Brotzeit dabei hatten.

Solch einen Hunger nach den Worten Jesu würde ich mir heute für viele Menschen wünschen.

Ich habe den Eindruck, viele Menschen in unserem Land sind nicht nur bis oben hin satt mit Lebensmitteln, so dass sie gar kein richtiges Hungergefühl mehr kennen.

Sie haben auch gar kein seelisches Hungergefühl. Die Frage ist, mit was haben sie den Hunger ihrer Seele gestillt ?

Ich fürchte in vielen Fällen mit irgendwelchem Junkfood, das sie in sich hineinstopfen, das mit verführerischen Geschmacksverstärkern zum übermäßigen Verzehr verleitet.

Hunger nach einem guten, gesunden, nachhaltigem Brot, kommt dann gar nicht mehr auf.

In dem Überangebot an Inhalten, die sich Menschen über die vielen verschiedenen Medien heute reinziehen, habe ich das Gefühl, verstopft die Seele, und es ist kein Platz, kein Verlangen nach dem Brot des Lebens, das Jesus anbietet.

Ich habe den Verdacht, der natürliche Hunger der Seele nach echtem Schwarzbrot, nach Brot, das die tiefsten Lebensfragen der menschlichen Seele befriedigen könnte, dieser Hunger wird ruhiggestellt, wie mit Beruhigungsmitteln gedämpft.

Sei es in Form von rastloser Arbeit, Freizeitaktivitäten oder Konsum.

Nur nicht einen tieferen Hunger der Seele zulassen, der doch eigentlich ein gesundes und natürliches Bedürfnis anzeigt.

Ich glaube: Nicht alle, aber ein Teil der seelischen Krankheiten geht darauf zurück, dass Menschen ihre Seele vernachlässigen. Deren Hunger nach echten befriedigenden Antworten auf die großen Fragen des Lebens verdrängen so lange es irgendwie geht. Bis es in Krisenzeiten dann gar nicht mehr geht.

Eine Seele, die gesättigt ist, gestärkt mit dem Lebensbrot der Worte Jesu ist mit Sicherheit gesünder, widerstandsfähiger, resilienter wie man heute sagt in Krisen.

Es ist so schade, dass so wenige Menschen ihre Seele mal mit richtig kernigem Brot bei Jesus stärken Drei Tage Bibelseminar, Intensivkurs mit Jesus, wer hat da heute noch Hunger danach ?

Damals waren es 4000 ! Wie beeindruckend war Jesus für sie, dass sie darüber ihr körperliches Hungergefühl vergasen.

Er hatte anscheinend einen Nerv getroffen. Die Menschen spürten: hier werde ich satt in meinen seelischen Bedürfnissen für Zeit und Ewigkeit. Jesus hat überzeugende, attraktive Antworten auf die großen Fragen meines Lebens.

2. Jesus jammern die Menschen

Interessant ist die Beobachtung:

Es ist nicht die Menschenmenge, die jetzt Jesus anbetteln würde, weil die Brotzeit für den Magen ausgegangen war – keine Klage ist zu hören.

Es ist Jesus selbst, der nicht nur an ihre seelischen, sondern auch an ihre leiblichen Bedürfnisse denkt.

Es jammert ihn, als er bemerkt, dass sie gar nichts mehr zu essen haben. Dass ihr Magen leer ist.

Er sorgt sich um sie.

Drei Tage hat er sie gelehrt, ihnen gepredigt. Aber jetzt sorgt er sich auch um ihr leibliches Wohl.

Sehr oft heißt es in den Evangelien, dass Jesus die Menschen jammern. Es dreht ihm die Eingeweide um, heißt es wörtlich.

Er versetzt sich ganz in ihre Lage.

So ist Jesus.

Jesus sorgt sich immer um uns. Jeden Tag. Um dich und mich. Es ist ihm nie egal, wenn wir in Not sind, er sorgt sich um uns an Leib und Seele.

3. In der Gemeinschaft mit Jesus werden wir an die Not unserer Mitmenschen gewiesen

Interessant ist jetzt, was Jesus als nächstes tut.

Jesus macht seine Jünger auf die Notlage aufmerksam: Haben sie es nicht selber gemerkt ? Sie selbst hatten ja noch sieben Brote Vorrat und ein paar Fische nach drei Tagen übrig. Sie hatten anscheinend für sich vorgesorgt.

Wenn wir heute eng mit Jesus verbunden leben, werden wir automatisch von ihm an die Not unserer Mitmenschen verwiesen. Das kann gar nicht anders sein.

In der Gemeinschaft mit Jesus bleiben wir nie bei uns, drehen wir uns nie egoistisch im Kreis allein um unsere Bedürfnisse.

Wir kommen durch ihn immer in Berührung mit der Not unserer Mitmenschen.

Wenn Du behauptest: Ich liebe Jesus und übersiehst auf die Dauer die Not der Mitmenschen, kann etwas mit deiner Liebe zu Jesus nicht stimmen.

Wenn du mit Jesus gehst, gehst du immer auch zu der Not der Mitmenschen. Dann jammert dich ihr seelischer und ihr körperlicher Mangel.

Wie ist die Reaktion der Jünger? Wie können wir denn alle satt machen ? Der Mangel ist doch viel zu groß, dass wir ihn alleine lösen könnten ?

Hatten sie die Not der Menschen vorher übersehen, gar nicht gemerkt? Oder wollten sie ihn gar nicht bemerken, weil sie keine Lösung wussten ?

Dabei hatten sie doch schon so oft miterlebt, dass Jesus helfen kann.

Hätten sie nicht Jesus von sich aus um Hilfe bitten können, als sie die Not der Menschen wahrgenommen hatten.

Heute schieben wir die Not unserer Mitmenschen hauptsächlich auf den Sozialstaat.

Ja, unser Sozialstaat hat christliche Wurzeln und das biblische Menschenbild als Grundlage. Gut, dass es ihn gibt !

In Indien dagegen gibt es immer noch Menschen zweiter Klasse.

Eine 19jährige ist letzte Woche wieder vergewaltigt worden, die Polizei schaut weg. Es war nur eine Frau der niedrigsten Kaste.

Es gibt kein Mitleid, kein Erbarmen mit der Not solcher Menschen.

Es ist eben Schicksal in die niedrigste Kaste geboren worden zu sein.

Noch ist unser Staat, unser Land, unsere Gesellschaft von der Wurzel der Barmherzigkeit Jesu mitgeprägt.

Aber wenn zu viele Menschen sich nicht mehr von Jesus prägen lassen, nicht mehr sich an ihm orientieren, könnte das auch schnell anders werden.

Wir haben einen Sozialstaat. Dafür können wir auch sehr dankbar sein. Die Gefahr ist aber, dass wir so die Not von Mitmenschen oft nicht mehr wahrnehmen, weil die Grundsicherung anonymisiert, bürokratisiert ist.

Es gibt jetzt ein Recht auf Grundsicherung, aber niemanden jammern mehr persönlich die Menschen, von Mensch zu Mensch.

Selbst die christliche diakonische Hilfe ist so professionalisiert, dass wir als Gemeinde oder als einzelne Christen das gerne auf die Profis abschieben, die sich dann um die Menschen schon kümmern, die Mangel leiden, selbst in unserem reichen Land.

4. Die Jünger lassen sich von Jesus bewegen

Die Jünger Jesu damals mussten zwar von Jesus auf den Mangel der anderen gestoßen werden, aber immerhin, dann hören sie auf Jesus:

Sie bringen ihre Vorräte zusammen und teilen. So wie er es ihnen aufträgt.

Dankbarkeit gegenüber Gott macht bereit zu teilen.

Weil ich weiß, dass ich selber nur Beschenkter bin, schenke ich weiter.

Sie vertrauen Jesus, dass sie am Ende trotzdem genug zum Leben haben. Sie halten ihre Vorräte nicht ängstlich zurück.

Wer von uns hat das schon einmal getan? Ich muss gestehen:

ich nicht.

Ich gebe, wenn ich ehrlich bin, immer nur ein wenig von meinem Überfluss, und habe immer noch so viele Rücklagen, dass ich gefühlsmäßig nie auf Gott angewiesen bin.

Deswegen bin ich mir nicht ganz sicher: Würde ich es genauso tun wie die Jünger ? Hätte ich dieses große Vertrauen auf Jesus, wenn es darauf ankommt ?

Wann ist der Zeitpunkt, werde ich ihn bemerken, wenn ich so von Jesus herausgefordert werde, wirklich meine eigenen letzten Vorräte zu teilen ?

5. Jesus kann aus Nichts Etwas schaffen.

Als die Jünger im Vertrauen auf Gott ihre Vorräte teilen, werden sie Zeugen eines großen Wunders:

Jesus kann aus Nichts Etwas schaffen. Er kann aus unseren kleinen Vorräten eine riesige Brotzeit schaffen, wie aus dem Nichts.

ER erweist sich damit als Gottes Sohn aus, der an der Schöpferkraft des Vaters Anteil hat.

Wir haben kein Schöpferfest im Kirchenjahr. Das Erntedankfest ist aber doch so etwas Ähnliches.

Wir feiern die Schöpferkraft Gottes, der aus Nichts Etwas machen kann. Auch jetzt und hier. Jederzeit, nicht nur beim Urknall.

Lassen wir uns ermutigen durch diese wunderbare Speisung der 4000, auch heute alles von Jesus zu erwarten, alles von unserem Schöpfer zu erwarten.

Wenn wir ihm ganz vertrauen, wird er uns überreich versorgen.

Wenn wir uns ihm ganz anvertrauen, dann kann er aus unseren kleinen Vorräten mehr machen, dass wir nicht nur für uns, sondern auch für unsere Mitmenschen genug haben.

AMEN